Verbrennungen während einer Operation – Neue patientenfreundliche BGH-Entscheidung

Zu Verbrennungen des Patienten durch atypischen Stromabfluss bei der Verwendung eines Hochfrequenzgeräts

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In nahezu jedem Operationssaal der Welt steht ein HF-Chirurgiegerät, das in allen operativen Fachdisziplinen zum Einsatz kommt. Verbrennungen sind bei ordnungsgemäßer Anwendung und bei Beachtung aller Sicherheitsvorkehrungen technisch nahezu ausgeschlossen, doch unsere Erfahrung zeigt, dass sie dennoch leider häufig vorkommen: Ein Patient wird am Unterleib, Hüfte oder Oberschenkel operiert und erwacht mit Hautverbrennungen am Gesäß, Rücken oder an den Beinen. Dies erscheint für den medizinischen Laien im ersten Moment vollkommen unverständlich. Dabei reagieren die Krankenhäuser meist mit der gleichen Verteidigung: Es habe sich ein Risiko verwirklicht, das trotz äußerster Sorgfalt nicht vermeidbar gewesen sei. Die Verbrennung sei schicksalhaft.

Kommt es zu einem Prozess, muss grundsätzlich der Patient beweisen, dass die Verbrennung auf einem Fehler der Ärzte beruht. Dabei kamen den Patienten nach der bisherigen herrschenden Meinung keine Beweiserleichterungen bei der Anwendung von Hochfrequenz-Chirurgiegeräten zu Gute. Argumentiert wurde damit, dass es selbst auch bei Anwendung aller Sicherheitsvorkehrungen nicht stets vermeidbar sei, dass es während der Operation zu Flüssigkeitsansammlungen (Urinabgang oder vermehrte Schweißabsonderung) kommen kann. Im Rahmen des Eingriffs sei es meist nicht mehr möglich, den steril abgedeckten Patienten auf solche Flüssigkeitsansammlungen hin zu kontrollieren und Verbrennungen des Patienten durch Kriechströme zu vermeiden. Eine Beweislastumkehr aus dem Gesichtspunkt des „voll beherrschbaren Risikos“ sei deshalb nicht gerechtfertigt.

Dies soll sich nun jedoch ändern: Nach der neuen BGH-Entscheidung kann es doch zu einer Beweislastumkehr kommen. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger wurde am 27.04.2011 wegen eines Prostata-Karzinoms unter Verwendung eines Hochfrequenzgeräts (Elektrokauter) operiert. Am Tag nach der OP wurde beim Kläger eine Rötung mit Blasenbildung auf beiden Gesäßhälften festgestellt. Die Verbrennungsabteilung stellte eine Verbrennung Stadium IIa mit einer Längenausdehnung von 20 cm und einer Breitausdehnung von 10 cm fest. Bei einer ambulanten Vorstellung am nächsten Tag wurde mittels MRT ein Ödem der Gesäß- und Rückenmuskulatur entdeckt. Es wurde schließlich die Verdachtsdiagnose einer entzündlichen Komplikation der Verbrennungen gestellt und der Kläger notoperiert. Dabei wurde das von dem nekrotisierenden Entzündungsgeschehen Binde- und Muskelgewebe entfernt. Im weiteren Verlauf wurde eine Revisionsoperation zur Entfernung entzündeten Gewebes erforderlich. Aus Hygienegründen erhielt der Kläger vorübergehend einen künstlichen Darmausgang.

Der Kläger nahm die Beklagten wegen fehlerhafter Lagerung/ Durchführung der Operation und unzureichender Aufklärung über die Risiken auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Sowohl das LG als auch das OLG wiesen die Klage ab. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hatte nun jedoch vor dem BGH Erfolg. Das Urteil des OLG wurde aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen. Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, der Kläger habe einen Behandlungsfehler in Form fehlerhafter Lagerung nicht bewiesen, beruhe auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 I GG.

Der Kläger hat vor dem Berufungsgericht geltend gemacht, dass er die Verbrennungen aufgrund von unsachgemäßer Lagerung erlitten habe und dass, wenn er ordnungsgemäß gelagert worden wäre, es technisch zu keiner Verbrennung hätte kommen können. Diese Aussage wurde durch die beiden Sachverständigen bestätigt. Die Frage, ob die Verbrennungen eines Patienten sicher hätten vermieden werden können, wenn er ordnungsgemäß gelagert worden wäre, ist von erheblicher Bedeutung. Denn in diesem Fall verwirklicht sich in der Schädigung ein von der Behandlungsseite zu beherrschendes vermeidbares Risiko mit der Folge, dass nach den Grundsätzen des objektiv beherrschbaren Risikos eine Beweislastumkehr eintritt. Die Behandler müssen dann beweisen, dass sie alle erforderlichen organisatorischen und technischen Vorkehrungen ergriffen haben, um Verbrennungen zu vermeiden.

Schließlich war die Gehörsverletzung auch entscheidungserheblich, denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht unter der gebotenen Berücksichtigung des Klägervorbringens zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.

Es bleibt nun abzuwarten, wie das OLG entscheiden wird.

BGH, 26.09.2017 – VI ZR 529/16
OLG Hamm – 04.11.2016 – AZ: I-26 U 67/13
LG Bochum – 27.03.2012 – AZ: I-6 O 311/11

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