BGH stärkt Rechte von Lebend-Organspendern
- Background
Jährlich spenden hunderte Menschen eine Niere oder Teile der Leber an ihnen nahe stehende schwerkranke Menschen. Die Voraussetzungen der Entnahme von Organen und Geweben bei lebenden Spendern ist in §§ 8ff. Transplantationsgesetz (TPG) geregelt. Die Lebendorganspende ist dabei im Verhältnis zur postmortalen Spende stets subsidiär. Um eine selbstbestimmte und freiverantwortliche Spenderentscheidung zu gewährleisten, gelten hohe verfahrensbezogene Anforderungen an Inhalt und Umfang der ärztlichen Aufklärung:
- 8 II TPG
Der Spender ist durch einen Arzt in verständlicher Form aufzuklären über
- den Zweck und die Art des Eingriffs,
- die Untersuchungen sowie das Recht, über die Ergebnisse der Untersuchungen unterrichtet zu werden,
- die Maßnahmen, die dem Schutz des Spenders dienen, sowie den Umfang und mögliche, auch mittelbare Folgen und Spätfolgen der beabsichtigten Organ- oder Gewebeentnahme für seine Gesundheit,
- die ärztliche Schweigepflicht,
- die zu erwartende Erfolgsaussicht der Organ- oder Gewebeübertragung und die Folgen für den Empfänger sowie sonstige Umstände, denen er erkennbar eine Bedeutung für die Spende beimisst, sowie über
- die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten.
Der Spender ist darüber zu informieren, dass seine Einwilligung Voraussetzung für die Organ- oder Gewebeentnahme ist. Die Aufklärung hat in Anwesenheit eines weiteren Arztes, für den § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 entsprechend gilt, und, soweit erforderlich, anderer sachverständiger Personen zu erfolgen. Der Inhalt der Aufklärung und die Einwilligungserklärung des Spenders sind in einer Niederschrift aufzuzeichnen, die von den aufklärenden Personen, dem weiteren Arzt und dem Spender zu unterschreiben ist. Die Niederschrift muss auch eine Angabe über die versicherungsrechtliche Absicherung der gesundheitlichen Risiken nach Satz 1 enthalten. Die Einwilligung kann schriftlich oder mündlich widerrufen werden. Satz 3 gilt nicht im Fall der beabsichtigten Entnahme von Knochenmark.
- Neue patientenfreundliche BGH-Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nun erstmals über die Haftung eines Transplantationszentrums gegenüber einem Organspender zu entscheiden. Die Kläger forderten wegen ungenügender Aufklärungdurch die Ärzte Schmerzensgeld und Schadensersatz. Beide Kläger hatten ihren Angehörigen eine Niere gespendet und beklagten nun, dass sie seither unter einem sog. Fatigue-Syndrom leiden. Sie waren der Ansicht, dass diese Erkrankung eine Folge der Transplantation sei, über die sie nicht aufgeklärt worden seien. Beide Klagen blieben in den Vorinstanzen erfolglos.
Der BGH hob nun die Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Hamm auf, denn nach Ansicht der Karlsruher Richter seien beide Klagen dem Grunde nach aufgrund der „festgestellten inhaltlichen Aufklärungsmängel“ begründet. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz bestehen nach Ansicht des VI. Zivilsenats neben der Formverstöße auch inhaltliche Mängel an der Aufklärung bei beiden Spendern. Formverstöße seien dabei ein starkes Indiz, dass eine Aufklärung nicht oder jedenfalls nicht in hinreichender Weise stattgefunden habe.
Anders als das OLG verneinte der BGH jedoch die Möglichkeit des Rückgriffs auf die hypothetische Einwilligung. Während die Vorinstanz die Klagen noch abwies, da davon auszugehen sei, dass die Kläger auch in Kenntnis sämtlicher Risiken gespendet hätten, verwarf der BGH diese Argumentation. Die Grundsätze der hypothetischen Einwilligungseien nicht auf die Lebend-Organspende übertragbar. Das Transplantationsrecht enthält ein besonderes Regelungsregime und die Grundsätze des Arzthaftungsrecht können hier nicht übertragen werden. Im Mittelpunkt der Aufklärungsvorgaben nach dem Transplantationsgesetz steht der „Schutz des Spenders vor sich selbst“. Der BGH hob die Vorentscheidungen im Revisionsverfahren auf und verwies die Fälle zurück an das Oberlandesgericht Hamm. Das muss nun den Schadensumfang feststellen.