Zum Beweiswert der Behandlungsdokumentation in der Arzthaftung unter Auseinandersetzung mit dem aktuellen BGH Urteil vom 05.12.2023 – VI ZR 108/21 – NJW 2024, 445

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 05.12.2023 wichtige Punkte zur Bewertung medizinischer Dokumentation bei Behandlungsfehlern geklärt. In der Sache geht es um Behandlungsfehler in der Geburt eines schwerbehinderten Kindes. Die an der Geburt beteiligte Hebamme ist bereits wegen eines ihr unterlaufenden groben Behandlungsfehlers rechtskräftig zu Schadensersatz verurteilt worden. In dem hier gegenständlichen Verfahren ging es noch um die die Schwangere betreuenden Belegärzte. Streitig war, ob einer dieser Ärzte über das seit Stunden hochsuspekte CTG vonseiten der Hebamme frühzeitig informiert worden war (dann hätte der Arzt sofort reagieren müssen, was aber nicht erfolgt war) oder nicht (dann wäre ihm kein haftungsrechtlicher Vorwurf zu machen).

Eine ärztliche Dokumentation gab es nicht, nur nachträgliche Berichte der Ärzte. Die Hebamme jedoch hatte dokumentiert, dass sie das hochpathologische CTG einem der Belegärzte frühzeitig gezeigt hatte. Die Ärzte hingegen bestreiten dies.

Grundsätzlich kommen einer ordnungsgemäßen, zeitnah erstellten Dokumentation, die keinen Anhalt für Veränderungen, Verfälschungen oder Widersprüchlichkeiten bietet, eine Indizwirkung zu. Dies bedeutet, dass in der Regel vermutet wird, dass die Maßnahmen, die dokumentiert wurden, auch so getroffen wurden.

Ausgehend hiervon würde normalerweise die Dokumentation der Hebamme eine bedeutende Indizwirkung haben, was bedeutet, dass im Prozess von einem Behandlungsfehler eines der Belegärzte ausgegangen werden könnte. Das Oberlandesgericht folgte dieser Logik und verurteilte die Belegärzte zu Schadensersatz.

Der BGH sieht dies jedoch anders und findet nicht, dass der Dokumentation der Hebamme die nötige Indizwirkung zukommt. Die beklagten Ärzte müssen – im Gegensatz zu einer älteren Entscheidung (BGH NJW 1978, 1681) – die inhaltliche Richtigkeit dieser Dokumentation nicht widerlegen. Es ist nicht ihre Aufgabe, den Gegenbeweis zu führen. Stattdessen reicht es aus, wenn sie Umstände aufzeigen, die begründete Zweifel daran lassen, dass das Dokumentierte der Wahrheit entspricht. Solche Zweifel wurden vorgebracht: Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Hebamme aus einem Eigeninteresse heraus, um ihre eigene Haftung zu mindern oder zu vermeiden, Details in ihre Dokumentation einfließen ließ, die sich zu Lasten des mitangeklagten Mitbehandlers auswirken könnten. Aus diesem Grund wurde die Klage gegen die beklagten Ärzte abgewiesen.

Wenn man diesen Gedanken weiterführt, könnte man auch einer Dokumentation die Indizwirkung verweigern, wenn der Arzt darin Umstände notiert, die ihn entlasten und sich gleichzeitig zum Nachteil des Patienten auswirken. Wenn darüber hinaus nicht auszuschließen ist, dass solche Einträge aus dem eigenen Interesse gemacht wurden, um eine mögliche eigene Haftung zu mindern oder zu vermeiden, dann wäre der Beweiswert dieser Dokumentation zweifelhaft. In solch einem Fall wäre die Dokumentation der Behandlung mehrdeutig und hätte demnach auch keine Indizwirkung. Dies könnte dazu führen, dass dem Patienten der Nachweis eines Behandlungsfehlers leichter gelingen würde.

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