Behandlungsfehlerhafte intramuskuläre Injektionen bei Rückenschmerzen
- Background
Jedes Jahr werden viele Patienten in Deutschland u.a. wegen Rückenschmerzen oder ähnlicher Beschwerden mittels intramuskulärer Injektionen behandelt.
Dabei besteht die oft unterschätzte Gefahr eines Spritzenabszess. Es handelt sich um eitrige Infektionen, die durch das Spritzen unter unhygienischen Verhältnissen oder durch eine Reaktion des Körpers auf die injizierten Stoffe entstehen können.
- OLG Celle spricht hohes Schmerzensgeld zu
Das Oberlandesgericht Celle hat nun den Hinterbliebenen eines Patienten, der an den Folgen eines Spritzenabszesses verstorben war, ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 Euro zugesprochen.
Der Patient hatte von seinem Hausarzt zur Behandlung von Rückenschmerzen aufgrund langjährig bestehender Bandscheibenschäden intramuskuläre Injektionen von Solu-Decortin und Diclofenac erhalten. Nach der vierten Injektion innerhalb von einer Woche kollabierte der Patient und wurde in ein Krankenhaus eingeliefert.
Es hatte sich aufgrund der Injektionen eine schwere Sepsis entwickelt, die nach einjährigem Leidensweg mit multiplem Organversagen und weitgehender Körperlähmung zum Tod des Patienten führte.
In erster Instanz hatte ein Sachverständiger die intramuskuläre Injektion dieser beiden Medikamente als sowohl dem fachlichen Standard als auch den einschlägigen Leitlinien widersprechend bewertet.
Das Landgericht Lüneburg ordnete das Verhalten des Arztes daraufhin als grob behandlungsfehlerhaft ein und verurteilte den Arzt entsprechend.
Das Oberlandesgericht Celle hat diese Entscheidung bestätigt. Das Landgericht sei aufgrund des Sachverständigengutachtens zu Recht von einem groben Behandlungsfehler ausgegangen. Es komme auch nicht auf eine Einwilligung des Patienten vor Verabreichung der Injektion an, da eine kontraindizierte Behandlung von einer Einwilligung nicht gedeckt ist.
Auch der Höhe nach sei das Schmerzensgeld angemessen, da der drastische Leidensweg des Patienten zu berücksichtigen ist.
Landgericht Lüneburg Az. 2 O 157/16
Oberlandesgericht Celle Az. 1 U 71/17