Sepsis nicht erkannt – Medizinische Risiken und rechtliche Konsequenzen
Sepsis, umgangssprachlich als Blutvergiftung bezeichnet, ist eine akute lebensbedrohliche Erkrankung, die in Deutschland zu den häufigeren Todesursachen zählt. Sie entsteht, wenn das Immunsystem auf eine Infektion mit einer überschießenden Entzündungsreaktion reagiert. Häufige Ursachen sind Infektionen der Atemwege, der Harnwege oder infizierte Wunden. Das Immunsystem greift dabei nicht nur die Erreger, sondern auch körpereigenes Gewebe an.
Innerhalb weniger Stunden kann es zu Multiorganversagen kommen. Typische Symptome sind Fieber, Schüttelfrost, ein beschleunigter Puls, Atemnot und Verwirrtheit. Ohne eine unverzügliche Diagnostik und leitliniengerechte Therapie drohen schwerwiegende Komplikationen bis hin zum Tod. Gerade in der frühen Phase ist die Diagnose von Sepsis schwierig, da die Beschwerden unspezifisch erscheinen und sich leicht mit einer Grippe oder anderen Infekten verwechseln lassen. Dennoch ist es Aufgabe der behandelnden Ärzte, Risikopatienten – etwa ältere, immungeschwächte oder frisch operierte Patienten – besonders sorgfältig zu überwachen.
Medizinischer Standard bei Verdacht auf Sepsis
Die medizinischen Leitlinien (u. a. „Surviving Sepsis Campaign“, aktuelle S3-Leitlinie Sepsis) fordern ein sofortiges und strukturiertes Vorgehen. Der Standard umfasst insbesondere:
- Frühzeitige Diagnostik: Abnahme von Blutkulturen vor Antibiotikagabe, Bestimmung von Entzündungsparametern (CRP, Procalcitonin, Leukozyten), Laktatkontrolle zur Einschätzung einer Organdysfunktion.
- Sofortige Antibiotikatherapie: Breitbandantibiotika müssen unverzüglich, in der Regel innerhalb von 60 Minuten nach Diagnosestellung, verabreicht werden. Jede Verzögerung erhöht die Sterblichkeit.
- Volumentherapie: Bei Sepsis mit Kreislaufinstabilität ist eine rasche Gabe von Flüssigkeit (30 ml/kg Körpergewicht kristalloide Lösung) erforderlich, um die Organperfusion sicherzustellen.
- Kreislaufstabilisierung: Bei anhaltender Hypotonie trotz Flüssigkeitsgabe ist der Einsatz von Vasopressoren (z. B. Noradrenalin) Standard.
- Infektionskontrolle: Entfernung infizierter Katheter, chirurgische Sanierung von Abszessen oder infizierten Wunden – parallel zur antibiotischen Behandlung.
- Kontinuierliche Überwachung: Patienten mit Sepsis müssen engmaschig überwacht werden, meist intensivmedizinisch. Dazu gehören Monitoring von Blutdruck, Sauerstoffsättigung, Urinausscheidung und Organfunktionen.
Juristische Bewertung
Ein Unterlassen dieser Maßnahmen – insbesondere eine verzögerte Antibiotikatherapie oder die fehlende intensivmedizinische Überwachung – stellt aus medizinischer Sicht eine klare Abweichung vom Standard dar und ist juristisch ein Behandlungsfehler. Die rechtlichen Ansprüche, die Betroffenen in solchen Fällen zustehen, umfassen in erster Linie:
- Schmerzensgeld für erlittene Schmerzen, Leiden und Beeinträchtigungen,
- Schadensersatz für Verdienstausfall, Pflege- und Behandlungskosten sowie Haushaltsführungsschaden,
- Ansprüche von Hinterbliebenen, wenn der Patient an den Folgen einer nicht erkannten Sepsis verstirbt.
- Ansprüche wegen vermehrter Bedürfnisse. Diese betreffen sämtliche zusätzlichen Aufwendungen, die dauerhaft durch die gesundheitlichen Einschränkungen entstehen – zum Beispiel Kosten für Umbauten in der Wohnung (barrierefreie Dusche, Treppenlift), den Einsatz von Pflege- oder Hilfspersonal, Therapien, Hilfsmittel wie Rollstuhl oder Prothesen sowie erhöhte Fahrtkosten.
In vielen Fällen haften mehrere Behandler gemeinsam als Gesamtschuldner. Entscheidend ist daher eine lückenlose Dokumentation und die Sicherung sämtlicher Behandlungsunterlagen. Unabhängige medizinische Gutachten sind unerlässlich, um die Kausalität zwischen Diagnoseversäumnis und Schaden nachzuweisen. Unsere Kanzlei arbeitet regelmäßig mit spezialisierten Gutachtern zusammen, um den medizinischen Sachverhalt juristisch fundiert aufzuarbeiten.
Nicht zu unterschätzen sind die gesetzlichen Verjährungsfristen: Arzthaftungsansprüche verjähren in der Regel nach drei Jahren ab dem Zeitpunkt, an dem der Patient von dem Fehler und dem Schaden Kenntnis erlangt hat. In besonders schweren Fällen mit noch andauernden Schäden können auch längere Fristen zur Anwendung kommen, sodass eine frühzeitige anwaltliche Beratung dringend geboten ist.
Sepsisfälle verdeutlichen eindrücklich, wie eng medizinische Sorgfalt und rechtliche Verantwortung miteinander verbunden sind. Wird eine Sepsis nicht oder zu spät erkannt, hat dies fast immer gravierende gesundheitliche und rechtliche Konsequenzen. Für Patienten und Angehörige ist es daher wichtig, frühzeitig fachkundige Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Unsere auf Arzthaftungsrecht spezialisierte Kanzlei prüft Ihre Erfolgsaussichten umfassend und setzt Ihre Ansprüche mit medizinischer wie juristischer Expertise konsequent durch.
Häufig gestellte Fragen zu Behandlungsfehlern bei Sepsis
Welche Ansprüche habe ich, wenn Sepsis zu spät erkannt wurde?
Betroffene können Schmerzensgeld und Schadensersatz verlangen, etwa für Verdienstausfall, Pflege- und Behandlungskosten oder einen Haushaltsführungsschaden. Auch Hinterbliebene haben Anspruch auf Entschädigung.
Wie kann ich nachweisen, dass ein Behandlungsfehler vorlag?
Der Nachweis erfolgt durch die Auswertung von Krankenunterlagen und unabhängige medizinische Gutachten. Bei groben Fehlern kehrt sich die Beweislast sogar zulasten der Ärzte um.
Wie lange habe ich Zeit, um rechtlich gegen einen Behandlungsfehler vorzugehen?
Die Verjährungsfrist beträgt in der Regel drei Jahre ab Kenntnis von Fehler und Schaden. Da die Fristberechnung oft kompliziert ist, sollte frühzeitig ein Anwalt eingeschaltet werden.
Welche Schritte sollte ich als Erstes unternehmen?
Sichern Sie Ihre Behandlungsunterlagen, notieren Sie den Ablauf und Ihre Beschwerden, und wenden Sie sich an einen spezialisierten Anwalt für Arzthaftungsrecht. Dieser prüft die Erfolgsaussichten und organisiert bei Bedarf ein Gutachten.
Welche Kosten entstehen für mich?
Die Kosten hängen vom Umfang des Verfahrens ab. Wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht, übernimmt diese in vielen Fällen die Kosten. Auch ohne Versicherung prüfen wir gemeinsam, wie das Kostenrisiko minimiert werden kann.